Wildnistour Handangervidda

 

Ende Juli 2022 ging es für unsere Wildnistourtruppe auf in den hohen Norden nach Norwegen.

Am Nachmittag des 30. Julis trafen wir uns alle voller Vorfreude und Ungeduld in der Naju-Zentrale in Wetzlar. Von dort ging es dann am Abend los auf die 2-tägige Reise nach Norwegen. Mit dem Zug fuhren wir, dank 9-Euro-Ticket mit, etwas Verzögerung nach Kiel. Von dort aus ging es dann mit der Fähre weiter nach Oslo. Die Reisezeit verwendeten wir, um schon einmal in Wanderstimmung zu kommen und uns an das Leben mit wenig Luxus zu gewöhnen.  Es hat schon etwas Besonderes zu erleben, wie die Dinge des täglichen Lebens sich auf einer solchen Reise gestalten, Schlafen im Zug und Essen dort, wo es gerade passt, auf einem Spielplatz oder dem Boden des Fährenflurs. In Oslo angekommen, stiegen wir dann noch einmal in den Zug, der uns zu unserem Ziel Finse im Hadangervidda brachte. Dieser Teil unserer Reise hat mir am besten gefallen, da man die verschieden atemberaubenden Landschaften von Norwegen zu sehen bekam. Leider sah man aber auch das Thermometer, das von angenehmen 25 °C in Oslo mit jedem zurückgelegtem Kilometer immer weiter fiel, bis wir im mit 7°C frostigen Finse ankamen. Der erste Norweger, dem wir dort begegneten, hatte eine kurze Hose und ein T-Shirt an, was wir alle in mehrere Schichten Kleidung verpackt sehr verwundert bestaunten. In Finse teilten sich unsere beiden Gruppen dann für die nächsten zwei Wochen auf. Nach einem leckeren Abendessen machte sich meine Gruppe auf den Weg und wir bereiteten uns darauf vor unsere erste Nacht im Tarp zu verbringen.

Am nächsten Morgen ging es dann los mit dem eigentlichen Wandern. Noch frisch und motiviert starteten wir die erste Tagesetappe, die uns um den Hardangerjokulen, einen großen Gletscher herumführte. Leider wurde das Wetter schnell ziemlich schlecht, sodass wir ganz schön zu kämpfen hatten. Nach einem ganzen Tag mit strömenden Regen bauten wir schließlich bis auf die Knochen durchnässt unser Tarp auf und waren alle froh in unsere Schlafsäcke zu schlüpfen, um uns aufzuwärmen und unsere Klamotten wieder etwas trockener zu bekommen.

Die nächsten Tage ging es mit etwas besseren, wenn auch immer noch ziemlich nassem und kalten Wetter weiter. Der viele Regen führte dazu, dass die Wege teilweise eher zu Sümpfen wurden und der ein oder andere auch schon mal bis zu dem Knien im Schlamm versinken konnte, wenn er den Fuß an die falsche Stelle setzte. Die Bedingungen hielten uns aber nicht davon ab Spaß zu haben. Wir bewunderten die Pflanzenwelt, erzählten uns Geschichten und vor allem abends wurde das tägliche Vorlesen bald zu einem Ritual.  Die Landschaft war wunderschön, vor allem der Gletscher, den wir besonders gut an einem unserer Tarpplätze bewundern konnten. An diesem Platz gab es einen Gletschersee, der von zwei Gletscherzungen gespeist wurde und den perfekten Ort für unser erstes Bad bot.

Einige Tage später stiegen wir von einer Plateauebene hinunter in ein Tal, in dem ein Feriendorf lag. Direkt daneben gab es einen großen Wasserfall, der viele Touristen anzog. Auch wir bestaunten diesen Wasserfall und machten auf der Aussichtsplattform unsere Mittagspause. Es war eine eindrucksvolle Ansicht, aber es war auch schon irgendwie komisch nach mehreren Tagen, an denen einem kaum ein Mensch begegnete, plötzlich wieder unter so vielen zu sein.  Als wir uns danach wieder auf den Weg den Berg hoch machten fanden wir das erste Mal reife Maulbeeren und eine nette Norwegerin, die uns den Unterschied zwischen den unreifen Beeren, die wir fälschlicherweise bis jetzt gegessen hatten und den reifen erklärte. Kein Wunder, dass die Maulbeeren uns bis dahin überhaupt nicht geschmeckt hatten.

Die nächsten Tage ging es ziemlich viel berghoch und durch sumpfiges Hochmoor, bis wir schließlich auf dem eigentlichen Hardangervidda Hochplateau ankamen. Der Tag an dem wird das Hochplateau durchwanderten, war der erste Tag mit wirklich gutem Wetter. Landschaftlich war dies für mich auch eine der schönsten Tagesetappen. Die Aussicht auf die Täler des Hadangervidda und mehrere Gletscher war einfach wunderschön.

Am nächsten Tag hieß es dann Essensvorräte auffüllen. Diese waren vor der Freizeit von unseren Teamern zu einer Tankstelle mitten im Nichts geschickt worden, wo wir sie dann abholen konnten. Darauf hin mussten erst einmal unsere Rucksäcke neu gepackt und sortiert werden und nach den Tagen, an denen wir uns über den immer leichter werdenden Rucksack gefreut hat, ging es schwer bepackt weiter.

Die nächsten zwei Tage, ging es dann bei weiterhin schönem Wetter weiter. Dabei erklommen wir auf unserem Weg einige Hügel, die verdächtig nach Hobbiton aussahen. Bei unserer Mittagspause in diesen Hügeln bemerkten wir auch, dass das Wasser des naheliegenden Füßleins unerklärlicherweise ungewöhnlich warm war. Vielleicht sind wir da ja wirklich über ein Portal in die Welt von Herrn der Ringe gestolpert 😉.

In der Nähe von Kraekkja, einer Berghütte, machten wir schließlich an einem der vielen großen Seen unseren wohlverdienten Pausentag. Diesen nutzten wir zum Faulenzen, Baden im, leider trotz des warmen Wetters immer noch ziemlich kalten See, Sonne genießen, Umgebung erkunden und auch zum ein oder anderen Schneeball werfen. Auch kulinarisch hatte der Pausentag einiges zu bieten, auch wenn die glutenfreien Pfannkuchen zum Frühstück etwas misslangen.

Danach brachen die letzten drei Wandertage unserer Tour an. An unserer immer grüner werdenden Umgebung und der dichter werdenden Büsche merkten wir, dass es von den Höhenmetern immer weiter hinunter ging. Auch Menschen begegneten uns jetzt wesentlich häufiger. Durch einen kleinen Umweg konnten wir den höchsten Hügel des Hochplateaus, auf dem wir uns befanden, besteigen, was uns einen wunderbaren Rundumausblick, vor allem auf die Täler und die dort liegenden Städte lieferte.

An unserem letzten Abend in der Wildnis trafen wir dann unsere Parallelgruppe wieder, die sich einen Lagerplatz nicht allzu weit weg von uns gesucht hatte. Wir freuten uns alle und es gab jede Menge zu erzählen.

Als der letzte Wandertag anbrach waren wir alle etwas traurig, dass unser Wanderabenteuer schon fast wieder vorbei war, freuten uns aber auch auf das leckere frische Essen und die gemütlichen Betten, die uns zuhause erwarteten. Wir ließen uns Zeit und genossen noch einmal die Natur. Auch ein letztes Mal in einem der klaren Seen zu baden, ließen wir uns nicht nehmen, bevor wir uns an den Abstieg ins Tal machten. Unseren Endpunkt, eine kleine Stadt mit dem lustigen Namen Geilo, erreichten wir, nach einigen Blaubeerpflückpausen, am Nachmittag. Dort machten wir es uns im ziemlich luxuriös ausgestatteten Wartebereich des Bahnhofes gemütlich und gingen erst einmal einkaufen, da sich alle auf das frische Obst und Gemüse freuten, das man leider nur schwer auf eine Wanderung mitnehmen kann.

In der Nacht stiegen wir dann in den Nachtzug nach Oslo und von dort aus ging es mit der Fähre und dem Zug zurück nach Wetzlar, wo uns unsere Familien schon erwarteten.

Meine Ursprüngliche Motivation an der Wildnistour teilzunehmen, lag einfach an dem Interesse Wandern zu gehen. Auch wenn dieses Bedürfnis offensichtlich erfüllt wurde, habe ich gemerkt wie viel mehr noch dahintersteckt. Die Möglichkeit vollständig darauf zu verzichten Mails zu checken, Nachrichten zu lesen und Social Media zu verfolgen war für meinen Kopf erstaunlich befreiend. Aber auch darüber hinaus, sowohl Tag und Nacht frische Luft zu haben, täglich körperlich ausgelastet zu sein, als auch, natürlich mit Rücksicht auf die Gruppe, einzuschlafen, wenn man abends müde wird, und aufzuwachen, wenn man eben morgens wach wird und nicht durch einen Handyalarm, waren für mich sehr erfüllende Erfahrungen. Das sind eigentlich natürliche Zustände, die meine Lebensqualität in der Zeit massiv steigerten. So etwas dann auch in einer Gruppe Gleichgesinnter zu teilen ist einfach schön.

Bericht von Rike Hinrichs